Zu Anna Petzers „Topographie des Fallens“ – 10 Miniaturen

„Fallen wird Material, Material wird Körper,
 Körper wird Material, Material wird Fallen…“
 (Anna Petzer)

„In meinem verzweifelten Bemühen, die Kunst
vom Ballast der gegenständlichen Welt zu
befreien, floh ich zur Form des Quadrats.“
(Kasimir Malewitsch)

 

I

Beschreibt das Fallen den Ort oder wird der Ort des Fallens / beschrieben / der Körper mit Mehl, das Quadrat durch Körper / Zeichen / Spuren geschrieben, gelöscht und wieder / geschrieben, gelöscht und wieder / schreibt Körper sich ein in Weiß und löscht sich / seine Spuren aus (wie flüchtig das Fallen, wie schmelzend der Ton).

 

II

Ist es die Topographie, die das Fallen oder das Fallen, dass die Topographie vermisst, ist es die Topographie, die das Fallen oder das Fallen, dass die Topographie erschreibt? Ein Bein tritt auf, ich meine: Ein Bein tritt ein in unruhiges Weiß, ein Schatten folgt, ein Körper auch und fällt (wie flüchtig, wie langsam, wie fremd sein Ton).

 

III

Dies unruhige Weiß, so schwankend im Raum (dies unruhige Weiß im schwankenden Raum) darin ein Körper / Zeichen / ein Schattenkörper im langsamen Fall und eyes are falling, lips are falling, hair is falling to the ground (Anthony and the Johnsons).

 

IV

Wird der Körper vom Raum bestimmt / begrenzt oder bestimmt / entgrenzt der Körper den Raum, ich meine, erschreibt / überschreibt der Körper den Raum (schreibt er sich in ihn ein und fest) oder wird er erschrieben von den Grenzen des Raums, die, immer schon brüchig, von Händen, Füßen, von Gesicht überschrieben und/oder überschritten werden (als wären sie nicht, weil sie nicht sind und/oder doch).

 

V

Ein Bein tritt ein in schwankendes Weiß, ein Schatten folgt, ein Körper auch, nur um zu fallen, nur um zu fallen, der Körper ist nur, weil er fällt…

 

VI

Ein Fallen im und aus dem Raum, ein Fallen im und in das Weiß, dieser reinen Wirkung umgeben von Schwarz (wie schwankend, wie zitternd, wie Zweig), von großem Atem, tropfendem Schnee. Ein Körper fällt und schreibt sich ein und löscht sich / seine Zeichen aus und wieder von vorn und wieder von vorn.

 

VII

Ein weißes Quadrat (verzweifelter Versuch, die Kunst vom Ballast der Gegenständlichkeit zu befreien) auf schwarzem Grund, ein weißes Quadrat das weder richtig weiß noch richtig Quadrat, dass auch nicht ruhig, dass schwankend im Raum, dazu ein langsames, ein entfremdetes Fallen, wie leicht das Sehen (morphendes Bild), wie leicht Gewissheiten gestört.

 

VIII

Zerstört der Moment des Aufpralls das Sein oder zerstört der Aufprall des Seins den Raum? Ein Körper tritt ein und fällt und fällt (und ist nur, weil er fällt und fällt) bis er den Raum völlig entstellt, bis er die Grenzen des Raums fast völlig aufgehoben hat, bis unter lauter Linien / Zeichen nur die Idee des Raumes bleibt (Oberflächenerinnerung, etwas wie Weiß, wie von Quadrat)

 

IX

Fallen wird Material, Material wird Körper, Körper wird Material, Material wird Fallen und wieder von vorn und wieder von vorn, eine Kreisbewegung geschrieben / gezeichnet in weißes Quadrat, Wiederholung als Prinzip (darin die Auslöschung, darin nicht das Nichts).

 

X

Dieses Verschmelzen von Schwerkraft und Schwerelosigkeit. Dieses Überschreiten der Grenzen von Raum und Zeit (dieses „scheinbar fortwährende Kontinuum“). Dieses Weiß das ein Nicht-Weiß, dieses Schwarz das ein Nicht-Schwarz. Dieses Fallen eines Körpers der unbestimmt / bis zum / Schluss.

Wien, Mai 2018

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Schneller, höher und so weiter

Fakten, Fanwissen, Fiktionen zu den Olympischen Sommerspielen 2021

Sommerolympiaden sind ein Fest der Vielfalt und Abwechslung – ideal, um viele Stunden vor dem Bildschirm zu verbringen: vom Schlagabtausch beim Boxen zum musikbegleiteten Dressurreiten, vom nach Knochenbruch schreienden Mountainbike zum gnadenlos schönen Badminton. Ein Nachmittag im Leichtathletikstadion ist ein eigenes Kapitel: vom umwerfenden Kugelstoßen zum faszinierenden Hochsprung, von der Langstrecke zum Sprint und so weiter.

Die beiden sportbegeisterten, durchaus auch Sport treibenden Autoren Peter Clar (mehr) und Markus Köhle (etwas weniger) folgen dieser Lust zur Abwechslung – der lexikalischen Vorgabe des Alphabets folgend werden alle in Tokio zur Austragung kommenden 33 Sportarten aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet:
* der Dreisprung etwa aus der sehr persönlichen Erinnerung, wie man seinerzeit über zwei Steine im Fluss zur Geliebten auf der anderen Seite gelangte;
* das Turnen auf Reck, Seitpferd und Ringen, das einem fassungslose Begeisterung abverlangt, wie scheinbar mühelos man sich auf Turngeräten bewegen kann, die für Normalsterbliche bestenfalls als Foltergeräte taugen können;
* andererseits Sportarten wie Synchronschwimmen, die einer unfreiwilligen Komik nicht entbehren und denen man nur mit einiger Ironie gegenübertreten kann;
* oder aber der 200-Meter-Lauf, der zu einem historischen Rückblick Anlass gibt: 1968 in Mexico City wurde die Siegerehrung zum revolutionären Statement von den US-amerikanischen Gold- und Silbermedaillengewinnern, als sie sich mit schwarz belederhandschuhter und zur Faust geballter Hand mit der Black-Power-Bewegung solidarisierten (im Jahr, in dem Martin Luther King ermordet wurde, eine mehr als heldenhafte Ansage).

Stimmen
»Die beiden Literaturwissenschafter wagen den Spagat auf dem Schwebebalken. Einerseits humorige Einlagen – etwa die Sportfilmempfehlung Herr der Ringe –, andererseits wortgewaltig verpackte, geballte Infos, mit denen der Laie angeben kann. Der Spagat gelingt meistens, auch weil Clar und Köhle ihre Grenzen kennen.« (Andreas Gstaltmeyr, Der Standard, 23. Juli 2021)
»Die beiden Autoren und Poetry Slammer Peter Clar und Markus Köhle haben ›Fakten, Fanwissen und Fiktionen‹ zu allen Disziplinen der Olympischen Sommerspiele zusammengetragen und liefern damit die unterhaltsamste und kompletteste Vorschau auf Tokio 2020 ab.«, »Eine amüsantere Einstimmung auf die Olympischen Sommerspiele 2021 als ›Schneller, höher und so weiter‹ gibt’s wohl nicht – und ein bisschen schluaer wird man dadurch auch.« (Simon Welebil, FM4,16. Juli 2021)